Wintergetreide als Ganzpflanzensilage (GPS): Ergebnisse der Landessortenversuche 2023

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Sortenversuch zur GPS-Nutzung von Wintergetreide

Der gezielte Anbau von Wintertriticale und -roggen zur Nutzung als Ganzpflanzensilage (GPS) hat seit 2022 deutlich zugenommen. Gründe dafür sind nicht nur die neuen rechtlichen Auflagen an den Fruchtwechsel und den Zwischenfruchtanbau in nitratbelasteten Gebieten, sondern auch die zunehmende Ertragsunsicherheit beim Maisanbau aufgrund des fortschreitenden Klimawandels.

Wasser aus dem Winter = Substrat für den Sommer

Mit dem Anbau von Wintergetreide zur Ganzpflanzennutzung können vor allem Betriebe mit intensiven Maisfruchtfolgen die förderrechtlichen Anforderungen an die Mindestbodenbedeckung in sensibelsten Zeiten (GLÖZ 6) und den Fruchtwechsel (GLÖZ 7) erfüllen ohne dabei die Substratproduktion für den Viehbestand oder die Biogasanlage sehr deutlich zu verringern. Darüber hinaus entfällt mit dem Anbau einer Winterung statt Mais in nitratbelasteten Gebieten die Verpflichtung zum Zwischenfruchtanbau. Betreiber von Biogasanlagen können mit dem alternativen Substrat den „Maisdeckel“ leichter einhalten. 

Abgesehen von diesen rechtlichen „Nebeneffekten“ bietet der Anbau von Wintergetreide zur Nutzung als Ganzpflanzensilage gegenüber Mais auch pflanzenbauliche Vorteile: Durch die bereits im Herbst beginnende Nährstoffaufnahme werden Stickstoffverlagerungen in tiefere Bodenschichten vermieden. Die frühzeitige Bodenbedeckung trägt dazu bei das Risiko für Bodenerosion in den Wintermonaten zu reduzieren. Auf die sich ändernden klimatischen Bedingungen (nassere Winter, trockenere und heißere Sommer) reagiert Wintergetreide im Vergleich zu Mais relativ tolerant. Probleme durch eine verspätete Aussaat im Frühling oder Hitzestress während der Blüte ergeben sich nicht beziehungsweise nur selten. Der zusätzliche Fruchtwechsel trägt zum integrierten Pflanzenschutz bei und die Humusbilanz wird deutlich entlastet. Durch die frühere Ernte lassen sich Arbeitsspitzen entzerren und die Substratnutzung bereits in die Sommermonate vorziehen, wenn abzusehen ist, dass die Silovorräte zur Neige gehen.

Als alleinige Hauptfrucht liefert der Maisanbau zwar durchschnittlich höhere Trockenmasseerträge als Wintergetreide zur Ganzpflanzennutzung, die sich aus der sehr frühen Ernte ergebenden zusätzlichen Anbauoptionen sollten aber nicht außer Acht gelassen werden. Abhängig vom tatsächlichen Erntetermin und den standort- und witterungsabhängigen Bedingungen, hauptsächlich der Wasserversorgung, lässt sich nach dem Anbau von Wintergetreide als Ganzpflanzensilage entweder eine zweite Hauptfrucht (frühreifer Mais, Sorghum, Sommergetreide), ein Ackerfutterbestand, eine Zwischenfrucht mit langer Vegetationszeit oder eine frühe Winterung (Winterraps, Wintergerste) etablieren. Die flexible Nutzung auch eines etablierten Wintergetreidebestandes ist dabei von Vorteil: Als Ganzpflanzensilage ist der optimale Erntezeitraum zwar auf den relativ kurzen Übergang von der Milch- in die Teigreife (angestrebt werden 35-40% Trockenmassegehalt in der Gesamtpflanze) begrenzt, allerdings bestehen zusätzlich die Möglichkeiten einer früheren Ernte als Grünschnittpflanze oder einer alternativen Körnernutzung.

Ebenfalls lässt sich ein für die Körnerernte geplanter Wintergetreidebestand als Ganzpflanzensilage nutzen: Aufgrund abnehmender Silovorräte, einer zu diesem Zeitpunkt schlechten Ertragsprognose für Silomais und zunehmendem Trockenstress entschieden sich 2023 eine deutliche Anzahl an Betrieben zu einer vorzeitigen Ernte ihrer Wintertriticale- oder Winterroggenbestände. Dass diese Entscheidung im Hinblick auf die nachfolgenden Niederschläge und die daraus resultierenden Ernteschwierigkeiten den ein oder anderen Bestand noch „gerettet“ hat, konnte zu diesem Zeitpunkt allerdings keiner ahnen.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2023

Aufgrund der frühen Bestandsentwicklung bei gleichzeitig relativ hohen Masseerträgen sind besonders Wintertriticale und Winterroggen für die Ganzpflanzenernte geeignet. 6 beziehungsweise 4 teils speziell für die Ganzpflanzen- oder Grünschnitternte gezüchtete Sorten wurden in den nordrhein-westfälischen Landessortenversuchen zur Ernte 2023 geprüft. Diese erfolgten wie in den Vorjahren an 3 Standorten: Auszuwerten waren für Wintertriticale die Versuche auf Haus Düsse (Ø Trockenmasseertrag 190,4 dt/ha bei 41,8% TM) und in Greven (Ø Trockenmasseertrag Ø 125,6 dt/ha bei 48,9% TM) und für Winterroggen die Versuche auf Haus Riswick (Ø Trockenmasseertrag 157,8 dt/ha bei 46,2% TM) und auf Haus Düsse (Ø Trockenmasseertrag 192,9 dt/ha bei 38,6% TM). Auf dem leichten Standort Greven trat deutlicher Trockenstress auf, der zu einer vorzeitigen Abreife führte. Die länderübergreifende Auswertung nach Anbaugebieten beinhaltet zusätzlich die Ergebnisse aus jeweils 4 niedersächsischen Sortenversuchen. Die durchgeführten Lager- und Krankheitsbonituren fließen in die Sortenbeschreibung mit ein.

Spezialisten oder Generalisten

Die Anzahl der speziell für die Nutzung als Ganzpflanzensilage gezüchteten Wintergetreidesorten ist nach wie vor sehr begrenzt. Sorten für die Grünschnitt- oder Körnernutzung, die aufgrund ihrer Eigenschaften auch für eine Ganzpflanzenernte geeignet sind, erzielen zwar durchschnittlich etwas geringere Trockenmasseerträge in der Silonutzung, erweitern aber die Möglichkeiten für eine alternative Ernte. Wintertriticale besitzt ein etwas höheres Ertragspotential als Winterroggen und ist standfester, allerdings auch empfindlicher gegenüber Trockenstress, weniger blattgesund und geringfügig später in der Ernte.

Tender PZO hat sich als Spezialsorte für die Nutzung als Ganzpflanzensilage langjährig bewährt und erzielte auch zur Ernte 2023 überdurchschnittliche Trockenmasseerträge sowohl auf besseren als auch auf leichteren Böden. Die Sorte ist grundsätzlich auch für eine vorzeitige Grünschnittnutzung geeignet. Tender PZO entwickelt sich etwas später als die meisten anderen geprüften Sorten und kompensiert die geringere Bestandesdichte durch eine hohe Pflanzenlänge. Die etwas geringere Standfestigkeit und die höhere Anfälligkeit für Gelb- und bedingt für Braunrost sind bei der Kulturführung zu beachten.

Ramdam ist eine mögliche Sorte für Betriebe, denen eine geringe Lagerneigung wichtiger ist als der höchste Trockenmasseertrag und die sich die Option einer Körnernutzung offen halten möchten. Aufgrund der etwas geringeren Bestandesdichte und der höheren Anfälligkeit gegenüber Mehltau sollte die Aussaatdichte bei einer geplanten Nutzung als Ganzpflanzensilage nicht zu gering gewählt werden.

Lumaco kann sowohl in der Silo- als auch in der Körnernutzung mit deutlich überdurchschnittlichen Erträgen und einer geringen Anfälligkeit gegenüber Mehltau und Gelbrost überzeugen. Innerhalb des zur Ganzpflanzenernte geprüften Sortiments zählt Lumaco zu den durchschnittlich standfesten Sorten, ein angepasster Wachstumsreglereinsatz wird aber empfohlen, um Ernteschwierigkeiten zu vermeiden. Das hohe Ertragspotential und die flexible Nutzung resultieren in einer deutlichen Hauptempfehlung.

Allrounder PZO ist als Zweinutzungssorte zugelassen, wird aber bevorzugt zur Ganzpflanzenernte empfohlen. Mehrjährig kann die Sorte vor allem auf besseren Standorten mit deutlich überdurchschnittlichen Trockenmasseerträgen überzeugen. Allrounder PZO ist insgesamt etwas früher in der Bestandsentwicklung als Tender PZO und resistent gegenüber Gelbrost. In den Landessortenversuchen zur Ernte 2023 wurde die Sorte als etwas weniger standfest bonitiert als offiziell beschrieben. 

Resolut PZO ist bevorzugt für eine Grünschnittnutzung geeignet und erzielte im ersten Prüfjahr trotz der enormen Pflanzenlänge nur unterdurchschnittliche Trockenmasseerträge bei einem relativ geringen Trockenmassegehalt zur Ernte. Der Anbau zur Probe wird daher nur für Betriebe empfohlen, die etwa aufgrund der Fruchtfolgeplanung auf eine vorzeitige Grünschnitternte spekulieren. Als mögliche Alternative bietet sich dann bereits die neuere Sorte Elephantus PZO an, die ein insgesamt etwas höheres Ertragspotential und eine geringere Anfälligkeit gegenüber Mehltau besitzt.

Beim gezielten Anbau von Winterroggen als Ganzpflanzensilage gibt es nur eine Hauptempfehlung:

KWS Progas überzeugt langjährig mit im Vergleich zu allen anderen geprüften Winterroggensorten deutlich höheren Trockenmasseerträgen sowohl auf besseren als auch auf leichten Standorten. Diese resultieren möglicherweise auch aus der etwas früheren Bestandsentwicklung, vor allem aber aus einer sehr hohen Pflanzenlänge, die allerdings mit einer relativ hohen Lagerneigung korreliert.

KWS Tayo hingegen wird bevorzugt für Betriebe empfohlen, die eigentlich eine Körnernutzung anstreben, sich die Option einer Ganzpflanzenernte aber offen halten möchten. Die Sorte ist gegenüber KWS Progas standfester und weniger anfällig gegenüber Mehltau, erzielt aufgrund der geringeren Bestandesdichte und Pflanzenlänge aber nur unterdurchschnittliche Trockenmasseerträge in der Silonutzung.

SU Perspectiv entspricht am ehesten einer Zweinutzungssorte mit durchschnittlichem Ertragspotential sowohl bei der Ganzpflanzen- als auch der Körnerernte. Die Sorte ist gegenüber SU Performer etwas standfester und weniger anfällig gegenüber Mehltau und wird daher bevorzugt empfohlen.

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